Tunnelblick – ein Pasinger Kaleidoskop an der Würm

Der Einsatz für das Künstlerprojekt hat sich gelohnt

Pasinger Kunstbaustelle
Künstlerbaustelle Tunnelblick an der Würm
„Endlich mal was Gescheites!“ kommentiert ein vorbeieilender Radfahrer die Serie von Wandbildern, die gerade im Eisenbahntunnel am Hermann-Hesse-Weg entstehen. Der Pasinger Künstler Martin Blumöhr gestaltet seit Ende Juni 2014 die vorher eher triste Ödnis entlang der Würm mit Geschichten, Anekdoten und Merkwürdigkeiten aus dem Stadtteil. Außergewöhnlich ist dabei die Vorgehensweise des 33-jährigen Absolventen der Akademie der Bildenden Künste in München: Im Gespräch mit dem Maler bringen Passanten und Besucher ihre Ideen, Erlebnisse und individuellen Ansichten ein und erzählen, was sie mit Pasing verbinden. Martin Blumöhr freut sich über die Beiträge, die er dann spielerisch assoziativ ‑ häufig in Bild-in-Bild-Situationen ‑ in die Gesamtkomposition einflechtet. Malerisch lässt er die Weichheit und Plastizität der figürlichen Elemente ohne Vorzeichnung frei auf der Wand entstehen und präzisiert diese, in dem er darauf im beinahe zeichnerischen Pinselstrich entschlossene Konturen setzt. So haben unter Anderem bereits das Wohnhaus von August Exter und willige Käufer, der seit einigen Jahren an der Würm heimische Biber, der „Pasinger Knödelschütz“, sowie Szenen aus dem Stadtpark Einzug in den Tunnel erhalten. Detailreiche Arrangements wie der „Kreislauf“ am südlichen Tunnelende wechseln sich ab mit großflächigen Panoramen, in die immer wieder Gesichter und groteske Gestalten mit den Geschichten der Passanten eingewebt werden.  

Pasings Einwohner gestalten mit

Inzwischen haben mehrere Schulklassen des Elsa-Brändtström- und des Berthold-Brecht-Gymnasiums, sowie der Jan-Amos-Comenius-Grundschule und des Kindergartens Richard-Riemerschmid-Straße das „Freiluftatelier“ an der Würm besucht. Im Altenservicezentrum Pasing konnten Senioren ihre Anregungen für die Gestaltung der Wand einbringen. Mitglieder der Pasinger Moschee haben ihre Ideen beigetragen. Dazu kam auch ein Besuch im Pasinger Archiv, um Recherchen über die historische Stadt und den heutigen Stadtteil zu betreiben. Gelegentlich ist vor Ort auch ein Kamerateam zu sehen, das den Fortschritt des Projekts für einen Dokumentarfilm festhält. Überhaupt sind alle interessierten Bewohner und Beobachter in Pasing herzlich eingeladen, ihre Ideen einzubringen, Anekdoten beizusteuern und so Teil der Arbeit zu werden. Die Kontaktaufnahme kann telefonisch über die 089/41 87 66 23 (Anrufbeantworter), über die Internetseite des Künstlers www.martin-blumoehr.de oder direkt vor Ort im Tunnel an der Würm erfolgen.
Martin Blumöhr vor Tunnelblick 1
Martin Blumöhr vor einem Motiv aus „Tunnelblick“
Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit mit dem Künstler, der seit 2008 mit seinem sechsjährigen Sohn im Stadtteil lebt? Gudrun Koppers-Weck, langjährige Vorsitzende des Unterausschusses Kultur im Bezirksausschuss 21, lernte den Künstler 2011 bei der Vernissage seiner Ausstellung „Zwischen den Stühlen“ in Pasing kennen. Martin Blumöhr bot an, sein Kunstprojekt „Public Viewing“ im öffentlichen Raum gerne auch im Stadtteil zu verwirklichen. Schon bald sollte sich dazu eine Gelegenheit bieten.  

Aus „Kunst am Bau“ wurde „Kunst im Tunnel“

Bei der Umgestaltung des Pasinger Zentrums im Rahmen des Kunst-am-Bau-Programms kristallisierten sich drei Schwerpunkte heraus. Neben der Ausgestaltung des Rad- und Fußgängertunnels Ost unter dem Pasinger Bahnhof und der Belebung der Rundwege im Pasinger Zentrum sollte zunächst auch der Würmtunnel am Hermann-Hesse-Weg neu gestaltet werden. Später entschied der Stadtrat, für den Tunnel keine Mittel aus QUIVID (Kunst-am-Bau-Initiative der Landeshauptstadt München) bereitzustellen, sondern einen anderen Weg anzubieten. Deshalb stellten im April 2013 Gudrun Koppers-Weck und Richard Roth als Fraktionssprecher der SPD-Fraktion einen Antrag im Bezirksausschuss 21, in dem die „Optische Aufhellung des Eisenbahntunnels Hermann-Hesse-Weg“ gefordert wurde. In der Begründung hieß es: „Im Gegensatz zum Radfahrtunnel am Pasinger Bahnhof bietet [der Eisenbahntunnel] jedoch seit Jahren einen sehr trostlosen Anblick. Das Mauerwerk ist teilweise marode, ausgesintert, verfärbt und geschwärzt. Die Wand an der Passantenseite ist völlig verschmiert. Besonders jetzt, nach der Aufwertung der Umgebung, zählt der Eisenbahntunnel am Hermann-Hesse-Weg zu den absolut unschönen Orten in Pasing.“ Neben anderen Künstlern bewarb sich Martin Blumöhr beim Baureferat für die künstlerische Ausgestaltung und bekam den Zuschlag. Schließlich hatte die Landeshauptstadt schon in anderen Projekten wie zum Beispiel schon 2005 im 16 x 4,5 m großen Gemälde „Salz der Stadt“ am Marienplatz mit dem Künstler sehr erfolgreich zusammengearbeitet. Die Farben und das Material für das Projekt „Tunnelblick“ sowie die Ausstattung für die Teilsperrung des Tunnels stellt das Baureferat. Der Bezirksausschuss 21 unterstützt ebenfalls das Projekt, das bis Anfang September abgeschlossen sein soll. Vor kurzem ist auch das Kulturforum München-West e.V. als Förderer mit in das Projekt eingestiegen. Der gemeinnützige Verein aus Pasing (www.kulturforum-mwest.de) widmet sich laut Satzung unterem anderem der aktiven Förderung und Pflege der Künste, der Stadtteilkultur und der Stadtentwicklung im Münchner Westen. Durch den finanziellen Beitrag des Kulturforums wird ist es möglich sein, auf die bereits bemalten Stellen einen Schutzlack aufzutragen, welcher das Kunstwerk vor der Verwitterung schützen wird. „Eine gewisse Patina ist schon okay, aber trotzdem sollen die Besucher sich möglichst lange an meinen Geschichten erfreuen“, meint Martin Blumöhr. WERK_05
Pasinger Szenen

Breite Unterstützung und unabwägbare Gefahren

Seit Ende Juni warnen Hinweisschilder vor der Engstelle, an der gerade im Tunnel gemalt wird. Etwa eine Stunde muss Martin Blumöhr jeden Tag in den Auf- und Abbau der Absperrungen, der Arbeitsbühne und der Farben und Pinsel investieren, die er mit dem Fahrradanhänger aus dem südlichen Pasing zum Tunnel transportiert. Der Strom für den kleinen Airbrush-Kompressor und die mobile Musikanlage, mit der der Tunnel während der Ausmalung beschallt wird, stellen freundlicherweise Nachbarn, die sich regelmäßig bei dem Künstler ein Stelldichein geben. Überhaupt hat Martin Blumöhr inzwischen viele „Stammbesucher“, die sich immer wieder von den neuen Szenen überraschen lassen, die seit dem letzten Rundgang im „Freilichtmuseum“ entstanden sind. So gerne sich der Maler auch in ein Gespräch vertieft: Nicht selten muss er sich mit dem dezenten Hinweis: „Ich muss weitermachen!“ wieder seinem Werk widmen. Schließlich liegen noch ein gutes Drittel der zu gestaltenden Fläche vor ihm. Sorgen bereiten dem Künstler derzeit größere Stellen im Mauerwerk, aus denen Wasser austritt und die deshalb derzeit nicht bemalt werden können. Hier wird versucht, zusammen mit dem Baureferat und der Deutschen Bahn, die Eigentümerin des Tunnels ist, eine Lösung zu finden. Auch das Risiko, dass das Kunstwerk Opfer von „Sprayerangriffen“ werden könnte, ist natürlich vorhanden. Hier setzt der Künstler auf die ihn mit anderen Akteuren verbindende Leidenschaft zur Wandmalerei und die visuelle Kraft eines gelungenen Bildes. Einen Graffiti-Aktivisten, der seine Motive im Tunnel vor der Neubemalung auf die Wand gebannt hatte, hat Blumöhr bereits in seine Bilderwelt integriert.

Tagebuch-2014-07-20Nacharbeiter

Virtuelles Kaleidoskop mit Zoom-Funktion

Auf der Homepage www.tunnelblick-pasing.de kann man dem Kunstwerk auch einen virtuellen Besuch abstatten. Die Website zum Projekt wurde von dem in Obermenzing ansässigen Fotografen und Medientechniker Frederik Nebas gestaltet. Die bereits bemalten Wandflächen gleiten wie von Geisterhand auf dem Bildschirm vorbei. Besonders gut kommt die Zoomfunktion an, mit der man sich Details aus dem Wandgemälde nah heranholen und dann studieren kann. Im Tagebuch „Künstlerblog“ halten Martin Blumöhr und Dr. Rüdiger Schaar, der vom Unterausschuss Kultur beim Bezirksausschuss 21 die Öffentlichkeitsarbeit zu diesem Projekt übernommen hat, wichtige Momente und persönliche Eindrücke fest. Neben einem Lebenslauf des Künstlers und der Projektbeschreibung ist auf der Homepage auch ein „Gästebuch“ für Kommentare zum Kunstprojekt „Tunnelblick“ zu finden. Außerdem kann man Martin Blumöhr direkt bei der Arbeit zusehen. Ein Kurzfilm der Temponauten zeigt im Zeitraffer, wie der Künstler seine Motive auf die Wand zaubert. Aber auch zur Besichtigung der Wandbilder direkt im Tunnel am Hermann-Hesse-Weg sind Interessierte jederzeit eingeladen:

Die Künstlerwerkstatt ist Tag und Nacht offen!

Dr. Rüdiger Schaar 12.8.2014

Tunnel Hermann-Hesse-Weg Übersicht